Netzpolitik im Koalitionsvertrag für Hessen
Der Koalitionsvertrag zwischen der hessischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen trägt den Titel "Verlässlich gestalten - Perspektiven eröffnen" (PDF). Die Koalitionsverhandlungen in Schlangenbad haben sich eine ganze Weile hingezogen, aber seit zwei Wochen ist die Grundlage für die kommenden fünf Regierungsjahre im Land fertig.
Mich interessieren besonders die Inhalte zu den Bereichen Netzpolitik, Verbraucherrechte, Urheberrecht und Informationsfreiheit mit allen ihren Überschneidungen. Eine knappe Zusammenfassung dieser Inhalte findet sich im heise Newsticker.
Der Sprecher der Grünen für Netzpolitik (und Sport), Daniel Mack, hat über die aus seiner Sicht wichtigsten Stellen im Vertrag ausführlicher gebloggt. Von Seiten der Union habe ich bisher keine bemerkenswerten Statements zur Netzpolitik in der Vereinbarung gefunden.
Die hessische Piraten, als quasi aus dem Netz geborene Partei, beurteilen den Vertrag sehr negativ. Allerdings sind sie erst gar nicht im Landtag vertreten.
Im Koalitionsvertrag sind durchaus eine ganze Menge wichtiger Punkte zumindest erwähnt. Man darf auch nicht vergessen, dass es hier um Landespolitik geht, und viele Themen besonders die Bundesebene betreffen, aber das sollte keine Ausrede sein, sich diesen Frage nicht zu stellen. Auch ist eine Koalitionsvereinbarung nicht bindend, sondern stellt lediglich eine Absichtserklärung dar.
Im folgenden möchte ich einige mir wichtige Themen in willkürlicher Reihenfolge aus dem Koalitionsvertrag herausgreifen und aus meiner persönlichen Sicht als politischer Laie und interessierter Bürger bewerten. Ich habe nämlich das Gefühl, dass zu wenig Diskussion darüber in unabhängigen Blogs und anderen Netzwerken stattfindet.
- Informationsfreiheitsgesetz: Die Erfahrungen anderer Länder sollen zunächst ausgewertet werden. Das klingt für mich nach Aufschub. Ich hoffe, wir bekommen noch in dieser Legislaturperiode ein brauchbares IFG.
- Vorratsdatenspeicherung: Hier besteht keine Übereinstimmung zwischen den Koalitionspartnern, daraus folgt eine Enthaltung im Bundesrat. Hier sind die Grünen glücklicherweise standhaft geblieben!
- Online-Petitionen: Sollen eingeführt werden. Mehr Partizipationsmöglichkeiten sind grundsätzlich nicht verkehrt, auch wenn viele E-Petitionen nicht wirklich erfolgreich sind. Woanders gibt es auch Plattformen wie OpenAntrag.
- Netzneutralität: Muss gewährleistet werden, das sehe ich ganz genauso. Welche Definition sich am Ende durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
- Rechtssichere öffentliche WLAN-Zugänge: Sollen via Bundesratsinitiative möglich gemacht werden. Zu klären wären hierbei allerdings auch Störerhaftung und Providerprivileg. Interessant auch für den geplanten Freifunk Wiesbaden.
- Urheberrecht: "Fair" für Urheber und Nutzer soll es gestaltet werden. Das lässt so ziemlich alles offen, aber wenigstens steht dieser Punkt im Vertrag.
- "Lex Facebook": Gefordert werden höchstmögliche Sicherheitseinstellungen per Default. Nach den Enthüllungen des vergangenen halben Jahres ist das eigentlich obsolet und Augenwischerei. Das Thema eignet sich aufgrund der Massentauglichkeit (viele Nutzer, ging durch die großen Medien) sehr gut, Aktivität zu simulieren. Aber wenn wir eins gelernt haben: Wenn die Daten einmal in der Welt sind, sind sie nicht mehr sicher.
- Tracking Cookies und Digital Fingerprinting: Hier soll bessere Aufklärung und Information stattfinden. Sicher ist Aufklärung nötig, aber sie wird halt wenig ändern. Cookie-Warnhinweise nach der EU-Cookie-Richtline, wie es sie bereits zuhauf gibt, sind IMHO sinnlos und nerven. Klare Regelungen müssten wenigstens bezüglich der Weitergaben von Daten und Profilen her.
- Rückgaberecht für Apps: Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die 15-minütige Rückgabefrist von Google ist ein Witz. Aber ist das ernsthaft wichtig genug für einen Koalitionsvertrag?
- Digitales Vergessen: Es soll ein Recht auf eine endgültige Löschung von Accounts und sonstigen Daten geben.
- Breitbandausbau (mind. 50 MBit/s): Gern. Wirtschaftsminister wird ja wohl Al-Wazir, der dann auch für dieses Thema zuständig sein dürfte.
Die Zuständigkeit für Netzpolitik liegt, wenn ich das richtig verstehe, beim Staatssekretär des Finanzministeriums. Ob das Thema dort gut aufgehoben ist, muss erst noch bewiesen werden. Erfreulich finde ich, dass es doch eine ganze Reihe von Themen in den Koalitionsvertrag geschafft haben. Einige davon fallen in die Kategorie "Aktionismus", andere sollten möglichst schnell angepackt werden.
Ich bin gespannt, ob das passiert, ob es eine aktive Diskussion zu Netzthemen geben wird, ob die Bundesratsinitiativen etwas erreichen - und was eure Meinung zu den genannten Punkten ist
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