Mein sicheres Stadionerlebnis
Heute wird die DFL-Mitgliederversammlung, also Vertreter der 36 Vereine aus 1. und 2. Bundesliga, über das Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" (PDF bei faz.net) abstimmen. Was zunächst nur die Vereine der beiden höchsten deutschen Ligen direkt betrifft, beunruhigt auch so genannte unterklassige Vereine. In einem gemeinsamen Offenen Brief appellieren der SV Waldhof Mannheim und seine Fanverbände
an die Vertreterinnen und Vertreter aller 36 Profi-Fußballvereine der 1. und 2. Bundesliga, am 12.12.2012 nicht den Anträgen des Antragspakets „Sicheres Stadionerlebnis“ zuzustimmen, sondern stattdessen das intensive Gespräch und den regelmäßigen Austausch mit ihrer Fanbasis zu suchen.
Auch beim letzten Auswärtsspielsieg in Worms machten sowohl die Mannschaft als auch die Fans beider Lager, letztere durch 12-minütiges Schweigen, klar, dass es "ohne Stimme keine Stimmung" in den Stadien mehr gibt.
Im Internet wurde das Thema ausführlich diskutiert, und bis dato über 70.000 Fans unterschrieben die Aussage der Kampagne "Ich fühl' mich sicher!". Auch ich habe unterschrieben, denn ich fühle mich seit langem sicher im Stadion, auch wenn es mal heftiger zur Sache geht. Aber das ist mein persönliches Sicherheitsempfinden, und ich möchte solche Ereignisse, bei denen die Sicherheit leider nur durch massiven Polizeieinsatz gewährleistet werden konnte, nicht verschweigen oder herunterspielen. Und neben dem allüberall genannten Einsatz von Pyrotechnik sind genau solche Aktionen ein Grund für die aktuelle Diskussion.
Es gab, und auch darauf möchte ich explizit hinweisen, vor allem in den Achtziger und Neunziger Jahren, durchaus Zeiten, in denen ich mit gemischten Gefühlen ins Stadion gegangen bin. Die Gewaltbereitschaft der Mannheimer Hooligans war bekannt und berüchtigt, und insbesondere in den Neunzigern gab es wie in vielen deutschen Stadien ein großes Neonazi-Problem - es gibt heute leider immer noch eins. Und dazwischen ich als langhaariger Zivildienstleistender. Passiert ist mir aber nie etwas.
Von dieser Vergangenheit "profitiert" der Waldhof noch heute. Die Leiber nur weniger Fans von Regionalligisten dürften so gewissenhaft visitiert werden wie die von Waldhof-Fans. Und bei Derbys wie dem oben genannten werden die unrühmlichen Traditionen schlagartig wieder aktuell. Das finde ich sehr unangenehm. In der vierten Liga fliegen wir sozusagen noch unter dem Radar. Sollten wir aber doch einmal (bzw. zweimal, aber ich bin ja nicht realitätsfremd O_o) aufsteigen, dann könnte es schwierig werden, die Auflagen der DFL überhaupt zu erfüllen. Auch aus finanzieller Hinsicht. Denn trotz der Fernsehgelder, die dann eventuell fließen, wird es vermutlich nicht lange dauern, bis sich der eine oder andere Verein die Belastungen, die mit den Auflagen verknüpft sind, schlicht nicht leisten kann.
Ganz klar: Körperverletzung im Stadion oder außerhalb geht nicht. Aber die Angstszenarien, die aktuell aufgebaut werden, sind massiv übertrieben. Dass auch auf der Seite derer, die das Konzept ablehnen, mit Übertreibung gearbeitet wird, war dementsprechend erwartbar. Selbst wenn dem Konzept zugestimmt werden sollte, wird es in den meisten Stadien weiter gute Stimmung und lauten, emotionalen Support geben. Aber Maßnahmen wie Sippenhaft, Ganzkörper-Kontrollen wie in München und die Ausgrenzung der Fans gehen einfach zu weit. Wenn das Konzept in der jetzigen Form über die Köpfe der Fans hinweg ohne Änderungen beschlossen wird, macht die DFL auf Jahre hin viel kaputt.
PS: Außerdem, liebe DFL, mit einem "Zertifizierungsverfahren 'Stadionerlebnis'" macht ihr euch endgültig lächerlich. Echt jetzt.
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