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Das Barcamp Rhein-Main 2014 in Frankfurt

Solange die Erinnerung noch frisch ist, schreibe ich meine Eindrücke zum diesjährigen Barcamp Rhein-Main in Frankfurt auf. Ja, in Frankfurt, wo zum ersten und bis zu diesem Wochenende auch letzten Mal im Jahr 2007 ein Barcamp stattgefunden hat - vor über sieben Jahren (abgesehen von Themen-Barcamps natürlich)!

Das Drumherum

Das Barcamp fand in den Räumen der Agentur ETECTURE mit sensationellem Ausblick auf die Frankfurter Skyline statt. Während sich die meisten Sessionräume im 6. Stock befanden, wurden Sessionplanung, Kaffeepausen und Mittagessen im Untergeschoss abgehalten, was zusammen mit der Fahrstuhlbenutzung etwas umständlich war. Aber welche Location ist schon perfekt? Ich fand die laaaangen Wege letztes Jahr in Dieburg mindestens genauso nervig.

Schlimmer war da schon, dass das WLAN häufig überlastet war. Allerdings hatte ich überraschenderweise fast überall mobiles Internet, so dass mich auch dieser Fakt auf Dauer nicht so sehr störte. Schlimmer traf es da zunächst das Orga-Team, das sich für die Session-Planung auf den Online-Timetabler verließ. Wie in den vergangenen Jahren auch konnte aber jede Klippe mit Spontaneität und Improvisation umschifft werden. Dafür ein großes Lob!

Was die Menschen vom netzkultur-rheinmain.de trotz finanzieller Widrigkeiten auf die Beine gestellt haben, verdient Respekt. Klar, ein Barcamp wird selten so perfekt ablaufen wie eine Konferenz mit großem Budget, aber die Ecken und Kanten machen für mich genau den Reiz aus. Ich finde es schade, dass der Funke nicht für jeden übergesprungen ist. Für mich hat's aber gepasst.

Samstag

Kollaboration Schule - Uni - Programmierer

Die erste Session, die ich besucht habe, war für mich eine Art Fortsetzung des EduCamp Frankfurt im April. Internet und Online-Medien haben es in vielen Schulen noch immer (viel zu) schwer, und Agnes will das für die Schule, an der sie Lehrerin ist, ändern. Es gab eine rege Diskussion und viele Vorschläge und Ideen, wie sie ihrem Ziel näher kommen könnte.

Der Hobby Data Scientist

Michael zeigte, wie er mit relativ wenig Aufwand eine größere Menge Daten, nämlich öffentlich zugängliche Zahlen zu Unfallopfern in New York City, analysierte. Dazu nutzte er den so genannten ELK-Stack (Elasticsearch, Logstash, Kibana).

Besonders bemerkenswert fand ich, dass sich Michael, als er sich ernsthaft mit den Zahlen und Statistiken zu beschäftigen begann, einen Nachhilfe-Lehrer organisierte, um seine Statistik-Kenntnisse aufzufrischen. Das nenne ich mal Dedication!

Noch spannender hätte ich es gefunden, wenn er mit Daten des neuen Frankfurter Open Data-Portals gearbeitet hätte, aber die bisher nur 29 Datensätze geben zugegebenermaßen nicht richtig viel her ;-)

Smart Machines

In ihrer Session wagten Roland und Ali Pasha einen Blick in die Zukunft. Eine Zukunft, in der Maschinen einen Großteil der Arbeit übernehmen, die heute noch von uns Menschen verrichtet wird. Die Diskussion drehte sich darum, wie wir persönlich und als Gesellschaft (und als Menschheit) damit umgehen, und wie wir uns heute schon darauf vorbereiten können.

Die Video-Aufzeichnung dieser Session ist schon online, und auch zehn andere Session-Videos findet ihr in dieser Playlist. Herzlichen Dank an Sebastian von LivestreamFfm fürs Filmen!

Krisenvorbereitung Fluchtrucksack

"Prepping" war ein völlig neuer Begriff für mich, obwohl mir das, was er beschreibt, nicht neu ist und obwohl ich als Kind eine Zeitlang Survival-Literatur regelrecht verschlungen haben.

Es geht dabei und ging auch in der Session ums Vorbereitetsein auf Krisen- und Katastrophensituationen (Pandemien, Naturkatastrophen, Zusammenbruch von Strom-/Wassernetzen und andere unerwünschte Großereignisse). Dazu gehört nicht nur das Bunkern von Vorräten, sondern je nachdem auch ein Fluchtszenario aus der Großstadt, das Überleben in der freien Natur und wo man ein sicheres Dach über dem Kopf findet.

Heiner hat in seinem Blog Material zum Thema gesammelt, seine Session-Slides verlinkt und die Einkaufsliste für seinen Fluchtrucksack aufgeschrieben. Dass es eine regelrechte Prepping-Community im Netz gibt, wusste ich nicht; es wundert mich natürlich auch nicht besonders, denn im Netz gibt es bekanntermaßen alles ;-)

Eine von überraschend vielen Sessions bei diesem Barcamp aus dem Themenfeld Unangenehme Dinge, über die man nicht gern nachdenkt, die sich aber als interessanter herausstellen als erwartet (wie kommt's?). Dazu gehörten auch Sessions über Depression, Rape Culture, private Versicherungen, ungewollte Geschäftsunfähigkeit, Suizid, Katastrophenschutz und den persönlichen digitalen Nachlass.

Ich bin dann mal Konserven kaufen …

#schnitzelffm

Abends ging's noch mit einer größeren Gruppe zum Frankfurter Schnitzelstammtisch in die Sachsenhäuser Warte. Für mich gab's kein Schnitzel, sondern eine Roulade, und naheliegenderweise gibt's dort leider nur Binding-Bier. Aber dank der netten Leute und guten Gesprächen hatte ich dort viel Spaß. Daher kam ich erst etwas später ins Bett als geplant und verpasste den Anfang der Sessionplanung am …

Sonntag (aka Qualitätssonntag)

Die Sessions am Sonntag haben mir persönlich noch etwas besser gefallen. Der Qualitätssonntag wurde seinem Namen gerecht.

Sketchnotes-Workshop

Auf die Idee, Sketchnotes auf meinem Android-Tablet auszuprobieren, brachte mich erst vor kurzem Thomas auf der Symfony Live. Gleich im Anschluss hatte ich mir einen Eingabestift (Bamboo Stylus) gekauft und ein paar Apps ausprobiert. Da kam mir diese Session von Alexander Gräsel gerade recht.

In aller Kürze zeigte er uns ein paar grundlegende Figuren, Formen und Kniffe zum Scribblen und Skizzieren. Das hat auch auf Anhieb ziemlich gut geklappt bei mir, obwohl es mit Stift und Papier wahrscheinlich einfacher ist. Dafür habe ich auf dem Tablet eine Undo-Funktion und mehrere Stifte und Farben zur Auswahl.

In allen weiteren Sessions des Tages habe ich gleich versucht mitzuscribblen, was gar nicht schlecht geklappt hat, wie ich finde. Mit diesem Thema werde ich mich wohl noch etwas mehr auseinandersetzen. Coole Sache.

IT-Security Nightmares

Nach einer kurzen Einführung entspann sich eine lebhafte, kontroverse Diskussion über IT-Sicherheit mit teilweise extrem gegensätzlichen Positionen, die ich so nicht erwartet hatte. Folgende Fragen und Lehren habe ich mitgenommen:

  • Wie sollten wir als IT-Fachleute mit Sicherheitslücken umgehen, auf die wir oder andere aufmerksam werden? Was können wir selbst tun, welche Instanzen können und sollten wir einschalten, welche Handlungsanweisungen können wir aufstellen?
  • Ziehe nie den Code von anderen ins Lächerliche! Das ist nicht bloß schlechter Stil, sondern demotiviert Menschen unnötigerweise. Derjenige, der niemals miesen Code geschrieben hat, werfe den ersten Stein! Was der bisweilen auf Community-Mailingslisten vorherrschende ruppige Ton anrichten kann, haben wir in der Open Source-Welt in letzter Zeit erleben müssen (z.B. hier, hier, hier).
  • Meiner Meinung nach lebt gerade die Open Source-Gemeinschaft von gegenseitiger Hilfe. Menschen benötigen außerdem unser Vertrauen, und wir müssen ihnen zugestehen, Fehler machen zu dürfen und daraus zu lernen.
  • Wir Entwickler stehen in der Verantwortung, Software so sicher zu machen wie möglich, und diese Sicherheit auch so einfach wie möglich benutzbar zu machen. Es ist schwierig, sich in "Normalnutzer" hineinzuversetzen; zu behaupten, Verschlüsselung einzusetzen sei mittlerweile einfach genug, bedeutet, die Augen vor der Realität zu verschließen.
  • Auch ich kämpfe immer noch regelmäßig mit und verzweifle fast an Software, die ich um der Sicherheit Willen verwenden will, weil Dinge nicht so funktionieren wie sie sollten bzw. ich es will. Wie muss es da erst jemandem mit wenig Computer-Erfahrung gehen?

Warum hat Deutschland Angst vorm Gründen?

Eher zufällig landete ich mit einigen Minuten Verspätung in dieser Session, in der zunächst die deutsche Situation in Sachen Startups und Gründungen international verglichen wurde (Tenor: Deutschland hinkt weit hinterher). In der anschließenden Diskussion wurden dann Gründe für den deutschen Rückstand gesucht (und gefunden) und mögliche Lösungen diskutiert.

Was ich für mich mitgenommen habe:

  • In D wird viel weniger gegründet als in anderen Ländern. Das hat eine ganze Menge gesellschaftliche, kulturelle, persönliche und politische Gründe. Diese sind zum Teil auch gut nachvollziehbar und vermutlich auch nicht so schnell zu ändern (finanzielle Risiken werden in D traditionell eher gemieden, (staatliche) Absicherung ist seit jeher besser als in vielen anderen Ländern, an Hochschulen wird nicht für Selbständigkeit ausgebildet, Familien und Freundeskreise sind auf Festanstellung fixiert).
  • Lösungen sind nicht einfach. Eine Startup-Kultur entsteht hier erst langsam, gegenseitiger Austausch und Treffen (Startup Weekend, Meetups) sind wichtig, um sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen, haben aber auch ihre Grenzen.
  • Förderung existiert, wird aber zu wenig wahrgenommen, oft aus Unkenntnis.
  • (Hoch-)Schulen tun sich schwer damit, Studenten zu mehr in Richtung Selbständigkeit auszubilden.

Ich bin immer noch zwiegespalten, die ganze Startup-Szene angeht. Keine Frage, mehr Innovation und eine offenere Kultur diesbezüglich tun hierzulande Not. Aber ich empfinde nicht selten als unangenehm, was beispielsweise auf deutsche-startups.de abgesondert wird. Startups sind nicht die Lösung für alle Probleme, und heiße Luft macht noch keinen satt. Was in der Session besprochen wurde, fand ich aber fast ausnahmslos gut ;-)

GDL & Bahnstreik

Sehr erfrischend fand ich die Session von Astrid und Tom zum Thema (GDL-)Streik und Gewerkschaften. In den Medien und auch auf Twitter wurde die GDL heftig angegangen für ihren Bahnstreik. Da mal einen Schritt zurückzutreten und die Situation ein wenig sachlicher zu betrachten, hat gut getan. Danke für die angenehme und aufschlussreiche Diskussion.

Sonification & Augmented Sound

Björn zeigte uns seine Applikation, mit deren Hilfe er Tweets (oder andere Texte oder Geokoordinaten) in Töne umwandeln kann. Dafür nutzt er eine App mit Node.js und ein Pure Data-Programm.

Eine kurze, heftige Google- und YouTube-Suche später bin ich gerade ziemlich angetan von den Möglichkeiten von PD. Eine Menge Menschen haben damit z.B. Gitarrenamps und Effekte programmiert, zumal PD sogar auf einem Arduino-Board lauffähig ist. So ein Projekt steht jetzt plötzlich ziemlich weit oben auf meiner Todo-Liste ;-)

Und noch ein paar Anmerkungen

Ich habe öfter relativ frühzeitig Sessions verlassen, wenn ich gemerkt habe, dass das Thema nicht so meins ist; bitte nehmt das nicht persönlich. Ihr hättet nichts von mir gehabt, und ich habe in der Regel schnell eine alternative Session gefunden. Vielleicht wirkte das unhöflich, aber auf einem Barcamp mit so vielfältigen Themen ist es gar nicht so leicht, immer auf Anhieb das richtige zu finden ;-)

Noch ein Wort an die Sponsoren: Vielen Dank für die Unterstützung des Barcamps! Ohne euch wäre diese Veranstaltung, die mir sehr ans Herz gewachsen ist, nicht möglich. Ich fände es schade, wenn die Finanzierungslücke, die es diesmal offenbar gab, im nächsten Jahr noch größer werden sollte. In diesem Fall wäre ich aber auch bereit, als Teilnehmer einen finanziellen Beitrag zu leisten - was ich diesmal auch schon getan habe.

Daher: Ich freue mich schon auf das Barcamp Rhein-Main 2015!

PS: Werden die Reaktionen (Tweets, Blogposts, Videos, Fotos, Slides usw.) zum Barcamp eigentlich irgendwo gesammelt?

Trackbacks

Gaby Becker am : Gaby Becker via Twitter

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Ging mir sehr ähnlich: RT @mattsches: Und noch einmal mit Hashtag: Mein Bericht vom #bcrm14 http://t.co/kaRdGdo383

www.diebeckerin.de am : PingBack

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heiko reitzammer am : heiko reitzammer via Twitter

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Sehr gut. Sessions tauschen und dann passt's 4 me “@mattsches: Und noch einmal mit Hashtag: Mein Bericht vom #bcrm14 http://t.co/455xEvcQP3”

themenrundgang.wordpress.com am : PingBack

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picturesof.de am : PingBack

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Kommentare

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Alexander am :

Alexander

Das ist ein sehr guter Bericht zum BarCamp! Neutral geschrieben, aber auch mit persönlicher Meinung - cool:)

Viele Grüße Alexander

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