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Journalismus braucht Innovationen

Die Artikel von Christiane Schulzki-Haddouti lese ich schon seit Jahren mit Interesse und Vergnügen, sei es in Telepolis oder jetzt in ihrem Blog KoopTech. Gestern hat sie darüber geschrieben, wie sich JournalistInnen aufgrund des momentanen Medienwandels neu erfinden müssen.

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(cc) by-nc-sa groovelock

Interessant finde ich einerseits die Ansätze für Innovationsmanagementsstrategien von Journalisten und Verlagen, andererseits die neuen Marktfelder, die sie aufzeigt. Das heißeste Eisen ist dabei momentan wohl die Open Data-Bewegung, die allerdings immer noch nicht richtig in Deutschland angekommen ist, gerade im Hinblick auf die Veröffentlichung von Daten durch Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Bei einer kurzen Recherche habe ich jedenfalls so gut wie nichts gefunden.

Die Auswertung, Einschätzung und Visualisierung dieser Daten können Journalisten allerdings kaum im Alleingang erledigen, sie müssen mit Spezialisten aus anderen Bereichen - Designern, Programmierern - kooperieren. Mercedes Bunz hat vor ein paar Monaten in einem Guardian-Artikel codende Journalisten als neuesten Trend ausgemacht und schlägt damit in die gleiche Kerbe.

In den USA mit Top Secret America und England mit Where Does My Money Go?, um nur zwei herausragende Beispiele zu nennen, ist der Open Data-Journalismus schon über das Versuchsstadium hinaus. In Deutschland gibt es immerhin gute Ansätze (und dpa Regiodata).

Eine Voraussetzung für innovative Open Data-Projekte ist aber, dass die Daten überhaupt zur Verfügung gestellt werden, und zwar strukturiert und zugänglich. Sobald das der Fall ist, wird es nicht lange dauern, bis diese Daten sinnvoll verarbeitet und mit Informationsgewinn aufbereitet werden. Die Werkzeuge sind größtenteils schon da, man sehe sich nur einmal die zahlreichen Demos der Fähigkeiten von HTML5, CSS3 und neuer Javascript-Frameworks an. Ganz zu schweigen von semantischer Technologien wie RDF, SPARQL usw.

Außerdem stehen interessierte und fähige Leute schon in den Startlöchern oder tummeln sich auf Hackdays oder Hackathons. Die APIs öffnen sich ebenfalls, wenn auch nur zaghaft. Das Presseportal geht da mit gutem Beispiel voran.

Ich behaupte, dass der Journalismus völlig neue Techniken entwickeln kann und muss (und wird), um Informationen über neue Kommunikationswege und Repräsentationsmodelle an seine Rezipienten zu bringen. Open Data ist da nur der Anfang. Und aller Anfang ist eben schwer.

Frankfurter Tag des Online-Journalismus

Der Hessiche Rundfunk hat heute (zum zweiten Mal?zum sechsten Mal bereits! Danke an @tilobarz) den Frankfurter Tag des Online-Journalismus (FTOJ) veranstaltet, zu dem einige Interessante Speaker angereist waren und der auch live ins Internet ge-video-streamt wurde. Ich hatte mich vor einiger Zeit dagegen entschieden, vor Ort teilzunehmen, da ich viele Sprecher schon von Barcamps oder von Twitter u.ä. kannte und ich mir außerdem die Teilnahmegebühr sparen wollte ;-) In Blogger-typischer Arroganz war ich auch der Ansicht, die auf dem FTOJ Meinungen und Themen der Vorträge, die ja auf eine eher traditionell journalistisch arbeitende Zielgruppe ausgerichtet waren, könnten wir wenig Neues erzählen. Damit hatte ich nur teilweise recht.

Dass ich das feststellen konnte, lag an der vorbildlichen Übertragung der Veranstaltung ins Netz, nicht nur als Video-Stream, sondern auch auf Twitter, das sich einmal mehr als praktischer Rückkanal erwiesen hat. Zwar fehlte mir der direkte (face-2-face) Austausch mit anderen Teilnehmern, aber wir kamen über Twitter recht gut klar. Ein großes Lob also an die Organisatoren vom HR. Das Beobachten aus der Ferne war eine durchaus intensive Aufgabe, habe ich doch parallel die dort vorgestellten Seiten abgesurft, gleichzeitig zu diversen Stichworten weiter recherchiert mit Notizen gemacht und Bookmarks gesetzt - und Fußballergebnisse durchgegeben. Anstrengend, aber hat gut funktioniert.

Nun zu den Inhalten: Die Keynote von Mercedes Bunz habe ich leider verpasst, werde sie aber nachholen. Robert Basics Buzzriders-Projekt kenne ich schon, das war zum Warmlaufen für mich ganz gut. Richtig interessant fand ich im Anschluss Hardy Prothmann und sein Heddesheim-Blog mit den beiden Spin-Offs Ladenburg- und Hirschberg-Blog. Nicht nur, weil Hirschberg der Ort ist, den ich neben Mainz noch "Heimat" nenne; sondern auch und vor allem wegen des großartigen Erfolgs dieses Projekts und der vielen Details, mit denen Hardy Prothmann die rasante Entwicklung des Projekts veranschaulichte. Wieso gibt es so etwas eigentlich nicht für Mainz? Ist die Stadt oder die Konkurrenz durch gleich zwei Tageszeitungen (der Chefredakteur der Rheinzeitung, Christian Lindner, hat übrigens auch deren vorbildliche Social Media-Strategie vorgestellt) zu groß? I don't think so. Aber von einer einzelnen Person wäre ein solchen Blog wohl kaum zu stemmen.

Was Stephan Baumann und Benedikt Köhler über Social Media Mining bzw. Slow Media zu sagen hatten, war mir weitgehend schon wieder bekannt, aber dennoch lehrreich. Ihre Beispiele waren sehr anschaulich und brachten ihre Punkte gut rüber. Schließlich rundeten Jakob Augstein und Mercedes Bunz von den beiden hervorragenden Zeitungen - falls dieser Begriff überhaupt noch so zutrifft - Der Freitag und Guardian den Tag ab. Beide Medien stehen für mich ganz weit vorn in Sachen Social Media- und Lesereinbindung und Online-Innovationen. Von ihnen können andere Medien in der Tat noch einiges lernen, auch wenn nicht wirklich alle Erkenntnisse ganz neu waren.

Eigentlich wollte ich ja bloß mal kurz in den Stream reinschalten, bin dann aber doch den ganzen Tag mehr oder weniger dort hängengeblieben, habe Interessantes erfahren, mich auf Twitter ausgetauscht, followe mindestens zehn Twitterern neu und habe eine Menge Stoff und Ideen gesammelt. Was aus dieser Sammlung entsteht, wird sich zeigen.

Für alle Journalisten und Blogger und sonstige Interessierte, die nicht dabei sein konnten, wurden alle Vorträge auf Video aufgezeichnet; sie stehen bereits jetzt zum Anschauen bereit. Nehmt das Angebot wahr - es lohnt sich.